
Importstarke Unternehmen von Kare über Delife bis MCA, Einkäufer in der Möbelindustrie und Möbelhändler mit Direktimport haben eine gemeinsame Sorge: Den gestörten globalen Containerkreislauf.
«Eigentlich müssten wir uns in der Branche vor Freude über die guten Auftragseingänge pausenlos auf die Schenkel klopfen», sagt MCA-Geschäftsführer Christian Chemnitz. «Wir disponieren doppelt so viel wie normal. Zum ersten Mal, seit ich denken kann, sind wir auf der Sonnenseite der Krise. Jetzt müssen wir zusehen, dass es auch dabei bleibt.» Durch die hohe Nachfrage und die schon oft besprochene Materialverknappung in einigen Bereichen haben die Lieferzeiten Ausmasse erreicht, mit denen weder Industrie noch Handel auf Dauer glücklich wären. Auch nach Importware aus China schreit der Markt in dieser Super-Möbelzeit. Deren Beschaffung, auch die von Zulieferprodukten wie Stoffen, Metallwaren oder Spiegeln wird aber neben dem hohen Bedarf nun durch Logistikprobleme erschwert.
«Wir haben zuletzt verkauft wie die Irren. Die Warenbeschaffung ist ein Riesenthema für die nächsten Wochen. Die Preise für die Container, die Lieferzeiten – das wird die grosse Herausforderung der nächsten Wochen und wohl auch Monate», sagt Peter Schönhofen, CEO von Kare Design.
Erwartet hatte man eigentlich schon im Frühjahr in einem deutlich stärkeren Ausmass als schliesslich eingetreten, dass die Lieferkette aus Asien ins Socken geraten würde. War auch das schon ganze Jahr hindurch immer mal wieder Thema. Extrem verschärft hat sich die Lage dann aber in den vergangenen vier Wochen. Knappe Containerkapazitäten und hohe Nachfrage lassen die Wartezeiten für Transporte länger und länger werden. Und die Frachtraten steigen und steigen. Der eine spricht von Verdreifachung, beim anderen haben sich die Kosten bereits versechsfacht, je nach Vertrag. Da auf den Routen von China Richtung USA bereits noch deutlich höhere Preise aufgerufen werden, geht man auch hierzulande von einem weiteren Anstieg aus. Um nicht zu sagen von einer Explosion. Rein theoretisch steigen die Preise vor allem auf dem Spotmarkt, auf den Möbelimporteure zurückgreifen müssen, weil sie die üblichen Kontingente wegen des Nachfragebooms bereits ausgeschöpft haben. Aus der Praxis hört man dann allerdings auch Stimmen wie diese: «Die Verträge sind das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben sind. Wenn man den Containerpreis nicht zahlen will, bleibt die Ware einfach stehen.»
Mit dem Problem ist die Möbelbranche nicht allein. Unternehmen aus unterschiedlichsten Industriebereichen sind betroffen. Auf der Suche nach Erklärungen hört man Folgendes: Die asiatischen Märkte werden mit Bestellungen momentan geradezu geflutet, auch aus Nordamerika. Weil die US-Wirtschaft aber besonders stark von Corona betroffen ist, stehen dort die Werke immer mal wieder still; die Produktion läuft auf deutlich niedrigerem Niveau als üblich. Auch der US-Export schwächelt. Dadurch gibt es zu wenig Rücklauf von Containern in Richtung Asien. Die Folge: Sie hängen in Amerika fest und fehlen überall auf der Welt.
Anfang Oktober waren dann um den chinesischen Nationalfeiertag herum noch Ferien in China. In dieser Zeit («Golden Week») geht nicht viel im Land der Mitte. Ähnlich schaut es traditionell zum chinesischen Neujahrsfest aus, das 2021 auf den 12. Februar fällt. Für gut zwei Wochen um diese Feierlichkeiten herum, läuft die chinesische Wirtschaft auf Sparflamme. Drum bevorraten sich Importeure in normalen Jahren rechtzeitig, um die planbare Delle überbrücken zu können. Momentan ist diese Vorsorge allerdings nicht nur teuer, sondern aufgrund der knappen Waren- und Containerverfügbarkeit auch kaum möglich. Freie Frachtkapazitäten zu finden ist für manchen zum Vollzeitjob geworden.
«Im Februar kommt der Crash», ist sich der Geschäftsführer eines Möbelanbieters sicher, der lieber nicht genannt werden will. «Es sind Werbungen geplant, auch TV-Werbungen, mit Ware, die nicht kommen wird. Diese Produkte sollten eigentlich schon auf dem Wasser sein.» Dass es richtig brennt, merkt er nicht nur im eigenen Unternehmen, sondern auch daran, dass grosse Händler mit umfangreichen Direktimportaktivitäten plötzlich über Importeure einkaufen wollen.
Nicki Kirchner vom oberfränkischen Onliner Delife sagt: «Wir haben auch viele Vorverkäufe. Heißt: Die Ware wird erst nach Eingang des Auftrags verschifft. Mit den neuen Frachtraten sind die Geschäfte zu den vereinbarten Preisen eigentlich gar nicht mehr machbar, ohne in die Unterdeckung zu kommen.»
Die Lösungsmöglichkeiten für das momentane Dilemma sind begrenzt. Natürlich stellt man in Zeiten wie diesen generell in Frage, ob man sich derart von der China-Beschaffung abhängig machen will. Allein: Welche Alternativen gibt es zu diesen Preisen? Indien, Vietnam, Türkei, Italien? Alle nicht dasselbe. Auch in Osteuropa kriegt man keine Ware, sei es wegen durch Corona eingeschränkter Produktion oder Schaumstoffknappheit. Ein weiteres Problem sind die eingeschränkten Reisemöglichkeiten. Produkte von neuen Lieferanten will man ja nach Möglichkeit vorab mal gesichtet haben.
Einen Teil der monetären Belastung versuchen Importeure kurzfristig in Form von Frachtkostenzuschlägen oder Preiserhöhungen weiterzugeben. Auf der anderen Seite wird geordert wie verrückt und irgendwie drauf gehofft, dass auch in den nächsten Monaten genug Ware über den Teich kommt und die Lager gefüllt werden können, was natürlich auch eine unglaubliche Kapitalbindung bedeutet. «Logistik ist das Thema der Zukunft, in allen Belangen», sagt Christian Chemnitz am Ende des INSIDE-Telefonats.
Quelle: www.inside-wohnen.de