Immer mehr Produktionsabstellungen in der europäischen Kasten-/Küchenmöbelindustrie

By 7. April, 2020 No Comments
Möbelindustrie

Die seit Mitte März 2020 in fast allen europäischen Ländern nochmals verschärften Massnahmen zur Eindämmung des Coronavirus wirken sich in immer stärkerem Umfang auf die Produktionstätigkeit der Möbelindustrie aus. Bis Mitte März hatten zahlreiche Unternehmen auch für die kommenden Wochen noch einen relativ störungsfreien Verlauf für möglich gehalten. Die weitgehende Schliessung des stationären Möbelhandels und die daraus resultierenden Beeinträchtigungen in der Auslieferung der Möbelhersteller haben allerdings innerhalb kurzer Zeit zu einer grundlegenden Änderung der Situation geführt. Die ersten Unternehmen haben bereits wenige Tage nach Bekanntgabe der Handelsbeschränkungen ihre Produktion zurückgefahren oder vorübergehend ganz eingestellt. Diese Produktionsrücknahmen wurden durch die in verschiedenen Ländern möglichen und aufgrund der Corona-Krise zum Teil noch ausgeweiteten Kurzarbeitsregelungen erleichtert. In der Woche ab dem 23. März haben weitere Möbelhersteller Produktionskürzungen oder Abstellungen angekündigt. Aufgrund der sich verschärfenden Probleme in der Vertriebslogistik wird die Zahl solcher Ankündigungen in den nächsten Tagen und Wochen wohl noch zunehmen. In der DACH-Region wurden die Abstellmassnahmen zumeist auf zwei bis drei Wochen begrenzt; nur in Einzelfällen sind noch längere Stillstände von bis zu vier Wochen geplant. Im benachbarten Ausland wurden bereits Abstellungen von bis zu sechs Wochen angekündigt. Die meisten Unternehmen wollen auch während der Stillstandsdauer die Situation regelmässig neu bewerten und bei einer Verbesserung über eine vorzeitige Wiederaufnahme der Produktion entscheiden. Im Falle einer Verschlechterung müssen die Produktionsanpassungen eventuell auch längerfristig fortgeführt oder ausgeweitet werden.
Bislang gibt es allerdings noch immer Unternehmen, die ihre Produktion so lange wie möglich fortführen wollen. Bei längerfristig anhaltenden Störungen in der Vertriebslogistik könnte eine solche Vorgehensweise durch den Lageraufbau, die damit verbundene Kapitalbindung und die Verschlechterung der Liquidität allerdings zu wirtschaftlichen Schwierigkeiten führen. Die von zahlreichen Unternehmen geplante Ausweitung des Onlinegeschäfts kann aufgrund der bislang noch geringen Bedeutung nur teilweise Abhilfe schaffen.
Die einzelnen Segmente der Möbelindustrie sind von den geplanten Produktionsanpassungen in unterschiedlichem Umfang betroffen. Aktuell scheint es so, dass sich die Kastenmöbelindustrie und Möbelteilhersteller sowohl in der DACH-Region als auch im benachbarten Ausland schneller für Abstellungen entschieden haben. Dies gilt insbesondere für Unternehmen, die vor allem für den Ikea-Konzern produzieren. In der Küchenmöbelindustrie gibt es bislang noch stärkere Unterschiede zwischen den Herstellern. Einzelne Unternehmen haben bereits in grösserem Umfang Schichten gekürzt oder die Produktion ganz abgestellt. Andere Küchenhersteller wollen ihre Produktion vorerst weiterlaufen lassen. Der Vertrieb wurde dabei in allen Fällen noch stärker auf Märkte ausgerichtet, in denen die Einschränkungen noch nicht ganz so ausgeprägt sind, wie zum Beispiel die Benelux-Region. Die Büromöbelindustrie kann sich der aktuellen Entwicklung am ehesten entziehen; die meisten Unternehmen produzieren noch in normalem Umfang. Hersteller von Polster­möbeln haben mit verzögerten bzw. ausbleibenden Lieferungen aus anderen Ländern, insbesondere aus Polen oder Ungarn, zu kämpfen. Eine verlässliche Vorproduktversorgung ist dort in vielen Fällen wohl nicht mehr gegeben.
Zahlreiche Unternehmen aus der Kasten- und Küchenmöbelindustrie haben ihre Vorproduktversorgung dagegen bis zuletzt als unproblematisch bezeichnet. Selbst bei Lieferungen aus Italien ist es zumindest bis Mitte März zu keinen grösseren Einschränkungen gekommen; lediglich die Staus an den Grenzen haben zeitweise zu Lieferverzögerungen geführt. Zahlreiche Verarbeiter hatten zudem bereits in den Vorwochen versucht, ihre Vorproduktversorgung mit zusätzlichen Bestellungen abzusichern und dementsprechend zum Beispiel bei Küchenmöbelfronten Lagerbestände aufgebaut. Mit der am 21. März von der italienischen Regierung getroffenen Entscheidung zur Einstellung aller nicht versorgungsrelevanten Produktionsaktivitäten wird die Belieferung aus Italien allerdings kurzfristig abreissen. Dieser Ausfall soll zum Teil durch Lieferanten in Deutschland oder Osteuropa ausgeglichen werden; entsprechende Kontrakte waren bereits ab Februar abgeschlossen worden. Der Bezug von Vorprodukten aus anderen Ländern ist abgesehen von durch Grenzkontrollen verursachten Verzögerungen im LKW-Transport bislang ohne grössere Störungen gelaufen. Seit Mitte März kommt es aber auch in diesen Ländern in zunehmendem Umfang zu Produktionskürzungen oder Abstellungen. In der französischen Region Grand Est haben inzwischen die meisten Möbel- und Möbelteilhersteller ihre Produktion eingestellt. In Polen zeichnet sich eine ähnliche Entwicklung ab. Auch hier wurde die Produktion ab dem 23. März immer stärker zurückgefahren. Bis Anfang April werden wohl die meisten polnischen Kastenmöbelhersteller abstellen.

Quelle: EUWID

Newsletter