Autor: Susanna Köberle
Schweizer Möbeldesign hat eine lange Geschichte. Die Anfänge dieser Geschichte genau festzumachen, ist schwierig, da Möbel schon immer Teil unserer Kultur waren. Gebrauchsgegenstände sind eben auch Kulturgüter. Die Industrialisierung gegen Ende des 19. Jahrhundert sowie der Aufbruch in die Moderne brachten aber einen Paradigmenwechsel mit sich, der nicht nur die Gesellschaft und die Wirtschaft prägte, sondern ebenso die Produktion von Möbelstücken sowie den Stellenwert von Wohnen an sich neu definierte.

Auch der Begriff des Designers entstand in dieser Zeit, wobei sich Schweizer Möbelentwerfer eher an die Bezeichnung Gestalter hielten. Das ist wohl nicht zufällig so. Prägend für das Schaffen dieser neuen Schweizer Gestalter war ein gradliniger Stil, der sich nicht Moden (wofür der Begriff Design eher steht) anbiederte, sondern solide und authentisch blieb. Auch die hohe Qualität in der Umsetzung der Stücke ist ein Merkmal, das zu Recht mit Schweizer Möbeldesign in Verbindung gebracht wird. Diesbezüglich waren Schweizer Möbelgestalter Pioniere.
Der Schweizerische Werkbund (SWB), der 1913 in Zürich gegründet wurde, spielt eine wesentliche Rolle in der Wahrnehmung und Entwicklung des Schweizer Designschaffens. Der SWB hatte zum Ziel, die Qualität der Erzeugnisse von Handwerk und Industrie zu unterstützen und das Bewusstsein für die kulturelle Bedeutung von guten und schönen Produkten in der Bevölkerung zu fördern. In den 1930er-Jahren waren viele Architekten auch Möbelgestalter, wie die Liste der SWB-Mitglieder zeigt. Die Zürcher Werkbundsiedlung Neubühl (1931) widerspiegelt den pragmatischen Ansatz, der auch die für die Siedlung entworfene Möblierung prägt. Passend zur Architektur waren die Möbel platzsparend, leicht und multifunktional. Diese seriell produzierten Typenmöbel wurden von der 1931 gegründeten Firma Wohnbedarf hergestellt.
Ein Höhepunkt der Tätigkeit des SWB war 1939 die Schweizerische Landesausstellung in Zürich. Zum Anlass der Grossausstellung wurde der Möbeldesigner Hans Coray damit beauftragt, einen Stuhl aus Aluminium zu entwerfen. Der „Landi-Stuhl“ gilt bis heute auch international als Designklassiker; er wird seit einigen Jahren wieder hergestellt. Es fällt auf, dass es einige Schweizer Möbelentwürfe gibt, die immer noch produziert oder erneut ins Sortiment von Möbelherstellern aufgenommen werden. Die Möbelmanufaktur horgenglarus steht paradigmatisch für das Pflegen der eigenen Geschichte.

Nach den Rückschlägen der Weltwirtschaftskrise und dem Zweiten Weltkrieg brachte die Nachkriegzeit eine Konsolidierung der industriellen Produktion mit sich. 1949 rief der SWB die Wanderausstellung „Die gute Form“ ins Leben, 1952 entstand dann die Auszeichnung „Die gute Form“. Zeitschriften wie „ Bauen + Wohnen“ oder „Das Ideale Heim“ spielten bei der Verbreitung und Vermittlung moderner Wohnvorstellungen eine wesentliche Rolle. Das Thema Multifunktionalität und Modularität dominierte auch bei den Möbeln der 60er-Jahre. Das Büromöbelprogramm „USM Haller“ etwa wurde in den 60er-Jahren entwickelt und ist bis heute erfolgreich. Ein weiterer Klassiker, der nach wie vor produziert wird, ist der „Rey-Stuhl“ von Bruno Rey für Dietiker. Er entstand 1971 und steht für das Aufkommen neuer Fertigungsmethoden.

Unter den Polstermöbeln sticht der so genannte „Tatzelwurm“ (Modell „DS 600“) von De Sede besonders heraus. Das im Kollektiv (Ueli Berger, Eleonora Peduzzi-Riva, Heinz Ulrich, Klaus Vogt) entworfene, modulare Sofa wurde zu einer Ikone und weit über die Landesgrenze hinaus bekannt. In den 80er-Jahren wurde viel experimentiert, man spürt bei vielen Entwürfen aus diesem Jahrzehnt eine gewisse Verspieltheit. Materialien werden verfremdet, Formen brechen aus der gewohnten Optik aus: Design rückt in die Nähe zu Kunst. In einer Zeit gesellschaftlicher Umbrüche werden auch die soziologischen Aspekte von Design stärker reflektiert. Dazu gehört etwa die Frage, wie wir im Alltag mit Gegenständen interagieren.
Das modulare Sofasystem „DS 600“ von de Sede, entworfen von Ueli Berger, Eleonora Peduzzi-Riva, Heinz Ulrich und Klaus Vogt
Trotz dieser Experimentierlust bleibt die handwerkliche Fertigung von Möbelstücken ein Fixpunkt. Denn diesen dem Zeitgeist entspringenden Themen stehen auch Kontinuität und Bescheidenheit gegenüber. Das zeigt gerade die damalige Bezugnahme und Rückbesinnung auf bestehende Entwürfe, die auch zurzeit wieder zu beobachten ist. Diese spiralförmige Bewegung ist in der Designgeschichte eine Konstante. Sie kann als Instrument der Reflexion auch dazu führen, dem eigenen Erbe gebührende Aufmerksamkeit zu schenken.
Denn trotz der Diversität des Schweizer Designs sind durchaus auch Gemeinsamkeiten festzustellen. Diese betreffen weniger die Form an sich als vielmehr den Umgang mit der Herstellung selbst. Das Festhalten an Qualität und Präzision führt zu Möbelstücken, die langlebig sind. Dabei sind viele clevere Details nicht auf den ersten Blick erkennbar, doch genau darin liegt das Raffinement dieser Entwürfe. Die Suche nach den besten konstruktiven Lösungen prägt das Schweizer Designschaffen seit den Anfängen bis in die heutige Zeit.