Wie ein Schweizer Uhrwerk

By 4. Januar, 2020 März 5th, 2020 No Comments
Möbelindustrie

Autor: Susanna Köberle

Produktionstechnologie – Die Abläufe im Fertigungsprozesse der Schweizer Möbelmanufakturen greifen perfekt ineinander – erstaunlich mag vielleicht klingen, dass einige Firmen dabei auf die  japanische Fertigungssystematik Kanban setzen. 


Schweizer Möbelmanufakturen gehören tendenziell in die Kategorie KMU. Dabei spielt häufig handwerkliches Können eine zentrale Rolle. Allerdings gibt es in der Schweizer Möbelindustrie auch andere erfolgreiche Modelle. Einige Möbelhersteller setzen mit Erfolg auf die Fertigung grosser Stückzahlen. Doch auch die Geschichte solcher Industriebetriebe begann häufig im Kleinen. So waren die meisten grossen Möbelunternehmen zunächst kleine Schreinereien und entwickelten sich mit zunehmendem Wachstum weiter.

Von der Massenproduktion bis zur Spezialanfertigung. Foto: Echo Büromöbel

Dabei sind bei seriellen Produktionstechnologien sowohl technisches Knowhow wie auch Präzision und Qualitätsbewusstsein entscheidend. Die richtige Kombination von Qualität, präziser Verarbeitung, Schnelligkeit und getakteter Organisation kommt gerade bei grösseren Produktionsvolumen zum Tragen. Spricht man mit Vertretern grösserer Möbelhersteller, merkt man schnell, dass Organisation das A und O ist. Denn der hohe Automatisierungsgrad der Fertigung bedarf einer präzisen Produktionsprozesssteuerung. Fliessfertigung heisst, dass stets ein optimaler Fluss vorhanden sein muss, der genau die gefragte Produktmenge herstellt. 

Tagtäglich höchste Qualität. Foto Jutzler AG

Erstaunlich mag klingen, dass einige Firmen  dabei auf eine japanische Fertigungssystematik setzen. Kanban (japanisch für Schild, Karte) wurde in den 50er-Jahren im Nachkriegsjapan entwickelt. Ultimatives Ziel dieser Methodik ist das Minimieren von Produktionskosten. Das geschieht durch die Vermeidung unnötiger Arbeit und eine optimale Produktionsgeschwindigkeit. Diese garantieren schliesslich die Einhaltung von Lieferfristen. Ebenso sollten unnötige Lagerbestände reduziert werden. Eine strukturierte Arbeitsvorbereitung ist die Basis für das erfolgreiche Funktionieren dieser Methode. 

Die automatisierten Abläufe basieren auf einem Datenaustausch zwischen Kunden und Hersteller. Hersteller und Kunde sind miteinander vernetzt, sodass Lücken laufend ersichtlich und schnell geschlossen werden können. Die permanente Optimierung und Überprüfung der Abläufe ist der Kerngrundsatz dieser industriellen Fertigungsmethode. Was nach problemlosem Arbeitsflow klingt, basiert allerdings auf knallharten Realitäten. 

Denn einen solchen Industriebetrieb aufrecht zu erhalten, ist sehr investitionsintensiv. Dies funktioniert unter anderem dank guten Beziehungen zu den Lieferanten. Auch diesbezüglich ist die Qualitätssicherung wichtig. Es muss die richtige Menge, in der richtigen Qualität zur richtigen Zeit vor Ort sein. Um die Gefahr von Minusbeständen zu minimieren, sind Sicherheitsbestände notwendig. Denn Lieferfristen nicht einzuhalten, können sich die Betriebe nicht leisten. Schweizer Pünktlichkeit ist in diesem Fall nicht ein „Nice to Have“, sondern überlebenswichtig. 

Produktionsstandort im Emmental. Foto Jutzler AG

Organisation und Planung ist die Basis der automatisierten Möbelproduktion: Einzelne Aufträge werden verdichtet, damit möglichst viele gleiche Teile aufs Mal produziert werden können. Dabei muss auch die Maschinenkapazität berücksichtigt werden. Die Anlagen werden permanent gewartet, was ebenfalls genauestens geplant sein will. Zudem gilt es, die Lebensdauer der Maschinen mitzudenken. 

Das Thema technische Entwicklung ist stets präsent: Innovation gehört zum Tagesgeschäft. Auch die Arbeitsmentalität sollte innovativ sein, denn ganz ohne menschliche Arbeitskraft geht es ja nicht. Diesbezüglich ist wieder eine japanische Lebens- und Arbeitsphilosophie wegweisend. Kaizen (japanisch: Veränderung zum Besseren) bedeutet, Prozesse stets zu verbessern. Dazu gehört auch das Hinterfragen von Gewissheiten. Wer das nicht mache, habe eine schwierige Zeit, weiss ein Mitglied der Geschäftsleitung eines grossen Möbelherstellers aus dem Raum Mittelland. 

Doch Geschwindigkeit hin oder her: Erst, wer es schafft, einen Schritt nach dem anderen zu machen, kann mit diesen rasanten Rhythmen mithalten. Das hat zugleich etwas Bescheidenes, das durchaus zur Schweizer Mentalität passt.

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