Zu mir oder zu dir?

By 1. Januar, 2020 März 5th, 2020 No Comments
Trends

Autor: Susanna Köberle

Zukunft des Wohnens – Die Epoche der Digitalisierung hat neue Wohnkonzepte und Lebensentwürfe mit sich gebracht und konfrontiert uns mit einem umfassenden Paradigmenwechsel, wie es ihn zuletzt zu Beginn des Industriezeitalters gegeben hat.


Micro-living, ein globaler Trend. Bild: IM Interior / Leonas Garbacauskas

Das Thema Wohnen reflektiert nicht nur den Geschmack der Bewohner, sondern ebenso gesellschaftliche Entwicklungen. Was wohnen bedeutet, wandelt sich stets. Unverändert bleibt die Tatsache, dass Wohnen ein menschliches Grundbedürfnis darstellt. Zurzeit stehen wir allerdings vor einem einschneidenden Paradigmenwechsel, «der in seiner Dimension und Tragweite mit dem Übergang zum Wohnen im Industriezeitalter vergleichbar ist», wie die Studie «Microliving» des Gottlieb Duttweiler Institute schreibt. Die Epoche der Digitalisierung hat neue Wohnkonzepte und Lebensentwürfe mit sich gebracht. Die Vielfalt verschiedener Wohnformen ist schon heute gross, doch zeichnen sich mehrere Trends ab, die auch einen Blick in die Zukunft des Wohnens erlauben. 

Bis 2050 werden zwei Drittel der Weltbevölkerung in Städten leben. Bild: Pawel Nolbert / Unsplash

Diese betreffen vor allem das Wohnen in Städten, denn gemäss Prognosen werden bis 2050 zwei Drittel der Weltbevölkerung in Städten leben. Die urbane Verdichtung hat auch zur Folge, dass die Wohnfläche pro Person nach Jahren des Anstiegs wieder abnimmt. Dieser Sachverhalt geht nicht (oder zumindest nicht zwingend) mit einer Senkung der Lebensqualität einher. Der öffentliche Raum gewinnt an Bedeutung. So werden etwa Tätigkeiten, die früher in den eigenen vier Wänden stattfanden, ausgelagert. Gemeinschaftlich genutzte Räume oder die erweiterte Nachbarschaft werden zu aktiven Teilen des Wohnens, was auch den städtischen Raum neu definiert. Diese Entwicklung ist umso wichtiger, als Einpersonenhaushalte nach wie vor die häufigste Wohnform darstellen (in der Schweiz über 35 % der Haushalte). Auch dieses Wohnszenario hat sich indessen gewandelt. Denn das Alleinwohnen zieht sich im Gegensatz zu früher durch die ganze Gesellschaft und wird auch nicht mehr als negativ gewertet. Im Gegenteil: Der Solo-Lifestyle steht für Freiheit und Individualität. 

Die unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen, die allein wohnen, haben aber entsprechend andere Bedürfnisse. Die Trends Individualisierung und Flexibilisierung prägen auch die Zukunft des Wohnens. Klassische Modelle wie der traditionelle Familienhaushalt werden seltener, die Wohnkonzepte differenzieren sich weiter aus. Dabei entstehen zunehmend kollektive und oder auch mobile Wohnformen; dazu gehören so unterschiedliche Konzepte wie Mehrgenerationenhaushalte, Interessenswohngemeinschaften, Lebensabschnittswohnungen oder Patchworkfamilien-Haushalte. Diese kollektiven Wohnformen schliessen das Private allerdings nicht aus.

Die sich wandelnden Ansprüche an das eigene Heim verändern auch die Form, wie wir Raum wahrnehmen. Das hat auch Konsequenzen bezüglich des eigentlichen Wohnraums, also auch starken Einfluss auf Möbel und andere Einrichtungsgegenstände. Möbel sind nicht mehr nur reine Designobjekte, sondern flexible und multifunktionale Elemente zur Schaffung und Ausgestaltung von Zonen. Der Wohnraum muss veränderbar sein.

Eine weitere prägende Veränderung ist die zunehmende Digitalisierung des Wohnens. Schon heute spricht man von „intelligentem Wohnen“. Die moderne Technologie trägt in Zukunft vermehrt zu einem personalisierten Wohnerlebnis bei. Dabei spielt auch das Thema Sicherheit eine zentrale Rolle, gerade, was das Wohnen im Alter betrifft. Im „Smart Home“ können Senioren bis ins hohe Alter allein und selbstständig leben. Doch auch für andere Altersgruppen eröffnen sich neue Möglichkeiten, die den Wohnkomfort erhöhen. Es gibt bereits Beispiele für Geräte, die zu persönlichen Assistenten im Wohnraum werden oder sogar für Virtual Reality-Formate. Diese kommen etwa bei der Vermittlung von Wohnraum zum Einsatz.

Das digitale Zuhause ist da. Bild: Sebastian Scholz / Unsplash

Die Digitalisierung trägt auch dazu bei, dass die Adresse als solche an Bedeutung verliert. Die Qualität des Wohnens ist primär durch seine „Software“ definiert, eine Art digitales Innenleben, das von Aussen nicht mehr ablesbar ist. Auch das Aufkommen von Wohnbrands, welche den Bewohnern einen bestimmten Lifestyle verkaufen, hängt mit dieser Entwicklung zusammen. Sie bieten zusätzliche Identifikationsmöglichkeiten, wie dies heute etwa schon Hotelketten tun.

Doch Wohnen betrifft mehr als nur Lifestyle. Bei der Zukunft des Wohnens stehen auch  grundlegende Bedürfnisse im Fokus. Dazu gehören Themen wie Wohngesundheit, Nachhaltigkeit oder Ökologie. Gebäude verbrauchen schliesslich ein Drittel der gesamten produzierten Energie. Unsere Wohnräume und unsere Umgebung auch in Zukunft zu lebenswerten Orten zu machen, bleibt eine grosse Herausforderung.

Hauptsächlich verwendete Quelle: 
„Microliving. Urbanes Wohnen im 21. Jahrhundert.“ Studie von Stefan Breit und Detlef Gürtler, herausgegeben vom GDI (Gottlieb Duttweiler Institute)

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